Samstag, 25. Januar 2020

 

„Bäume erkennen im Winter“

Bei leichtem Frost und trübem Himmel trafen sich 24 Personen, um im Stadtpark Oker unter der Anleitung von Anke Schulze und Agnes Daub das Erkennen von Bäumen im Winter zu erproben. Sechs Teilnehmer hatten sich über die Volkshochschule des Landkreises Goslar angemeldet.
Zunächst bekamen alle eine Zusammenstellung der zu erwartenden Bäume und von geeigneter Literatur sowie eine Liste von Merkmalen, die bei der Bestimmung von kahlen Laubbäumen nützlich sind, als da sind die Wuchsform, die Rinde, Früchte und Stacheln bzw. Dornen, die Knospen und ihre Anordnung am Trieb (ca. 35 % stehen gegenständig bzw. 65 % wechselständig) sowie die Blattnarbe und die Blattspur (die Anordnung der Leitgefäßenden auf der Blattnarbe).
Anhand eines Straußes mitgebrachter Zweige wurde vor allem die Gegen- / Wechselständigkeit der Knospen verdeutlicht und ganz allgemein die mögliche Vielfalt der Erscheinung kahler Triebe dargestellt.
Und dann ging es in den weitläufigen Park, der erstaunlich vielen Teilnehmern bisher unbekannt war. Er ist heute Stadtpark des Goslarer Stadtteils Oker, wurde aber vor vielen Jahrzehnten als Park des schloßähnlichen Anwesens  der Industriellen- und Händlerfamile Cramer von Clausbruch angelegt, und enthält zwei Teiche, einen Wasserlauf, ein Teehäuschen, einen hölzernen Unterstand und vor allem viele schöne alte Bäume.
Nach und nach wurden alle Bäume gefunden, „die jeder erkennen sollte“, also Esche, Linde, Platane, Rosskastanie, Rotbuche, Hainbuche, Hasel, Spitz-, Feld- und Bergahorn, Kirsche, Eiche, Birke, Feldulme, Schwarzerle, Weide und Holunder sowie Flieder. Die ausgegebene Liste enthielt die entscheidenden Merkmale, und so wurde u. a. gelernt, dass Eschen die einzigen Bäume mit schwarzen Knospen sind, die Ahorne an ihren Rinden und der Knospenfarbe zu unterscheiden sind, die Erle gestielte Knospen hat. Es wurden Korkleisten und Lentizelle als Merkmale gezeigt, besonders schöne Blattnarben wie bei der Rosskastanie und das weiße Mark des schwarzen Holunders.
Trotz des Januars wurden vier blühende Bäume beobachtet. Die japanische Kirsche blüht schon seit September den ganzen Winter durch, die Forsythien- und die Kornelkirschenblüte hatte die warme Temperatur der letzten Tage hervorgelockt, und der Winterschneeball öffnet seine Blüten erwartungsgemäß (Name!) noch im Winter am kahlen Gehölz. In einem kälteren Winter wäre allerdings keine dieser Blüten im Januar zu sehen gewesen.
Vier Bäume aus der Familie der Schmetterlingsblütler sind im Stadtpark Oker vertreten - der Goldregen, die Robinie, der Lederhülsenbaum und der Perlschnurbaum. Leider hatten die beiden letzten nach dem trockenen Sommer keine Früchte angesetzt, die Gleditschie (Lederhülsenbaum) ist aber auch ohne die riesigen Hülsen an den verzweigten Dornen überall auf der Rinde sehr gut zu erkennen. Die Robinie ist gekennzeichnet durch das Stachelduo, das an der Blattnarbe stehen bleibt.
Der Tulpenbaum war dagegen übersät mit Früchten und wird sicher im Sommer von vielen der Teilnehmer noch einmal besucht werden, um hoffentlich einen Blick auf die Blüten werfen zu können.
Ebenso eindrucksvoll die großen raschelnden Fruchtstände des Blauglockenbaums, der im Frühjahr einen hellblauen Blickfang bietet, und auch der klingende Fruchtstand der Pimpernuss.
Am Parkende hinter dem großen Teich überrascht ein alter Eibenwald.
In der Nähe stehen Robinien, eine winterkahle Lärche und eine ebenfalls im Winter entlaubte Sumpfzypresse, deren „Armknie“ genannten Wurzelauswüchse Aufsehen erregten.
Auch ein Urwelt-Mammutbaum Metasequoia steht im Stadtpark, ein lebendes Fossil, das ebenfalls winterkahl ist. Majestätisch und schon recht hoch, aber nicht ausgewachsen, der dagegen immergrüne spitzkegelige echte Mammutbaum auf der Hauptwiese. 
Der Ginkgo mit seinen rechtwinklig zum Stamm abstehenden Ästen hat ein sehr typisches Erscheinungsbild, die sehr kleinen ovalen Blattnarben sitzen dicht gedrängt auf Kurztrieben.
Und sogar die Insektenforscher kamen auf ihre Kosten. Die uns bei der Winterwanderung verwehrten winteraktiven Springschwänze konnten auf einem Baumstumpf entdeckt werden. Es handelt sich um den nur 1 mm langen Lepidocyrtus paradoxus. Da braucht man schon sehr gute Augen!
Der  Abschied fand bei endlich Sonnenschein unter der Platane am Parkplatz der Bürgerbegegnungsstätte statt. Dieser Baum ist durch seine tarnfarbige Rinde, die auffälligen Früchte und die kreisförmige dünne Blattnarbe schon fast „überbestimmt“.

 

Text: Dr. Agnes-M. Daub

Fotos: Willi Grope

Frucht Blauglockenbaum


Frucht des Tulpenbaums


Stuken mit winzigen Springschwänzen

Springschwanz, Foto G.Bärecke


Lederhülsenbaum


Lindensamen


Mammutbaum


Papierbirke


Sumpfzypresse

" Armknie" einer Sumpfzypresse